Vor Kurzem erhielt ich eine Nachricht über Messenger, die mich tief berührte. Einer unserer früheren Welpen, Alba, war krank geworden. Es klang ernst, und ihre Besitzerin schrieb: „Der Tierarzt vermutet Addison.“
Mich traf es wie ein Schlag – ich war erschrocken und traurig zugleich. Alba ist erst 4 Jahre alt. Sie ist eine wundervolle Großpudelhündin, die aus einer Vermittlung stammt und einiges aus ihrer Vergangenheit mit sich trägt. Sie wurde früh kastriert, und als sie in ihre neue Familie kam, zeigte sie Unsicherheiten – sie hatte zum Beispiel Angst vor bestimmten Männern. Doch zum Glück fand sie den perfekten Platz: eine Familie, die sie sieht, sie einfühlsam begleitet und ihr ein Leben voller Geborgenheit und Verständnis schenkt. Heute geht es ihr wie dem sprichwörtlichen Kücken im Nest.
Dann kam die Vermutung – und kurz darauf die Bestätigung: Alba hat Addison. Sie wurde sofort medikamentös behandelt – glücklicherweise ist das bei dieser Erkrankung möglich – und nur sechs Tage später schrieb ihre Besitzerin, es sei, als hätte sie eine frische, lebendige Version von Alba zurückbekommen. Die Erleichterung war riesig. Für die Familie – und auch für uns als Züchter.
Die schwierige Entscheidung: Zucht und Verantwortung
Die Nachricht ließ uns schnell handeln. Alba hat eine Vollschwester, Evita, die bei uns lebt. Evita ist ein wahres Energiebündel – fröhlich, lebendig und gesund in jeder Hinsicht. Es gab niemals den kleinsten Anzeichen von Krankheit. Doch mit Albas Diagnose trafen wir die schwere Entscheidung, Evita aus der Zucht zu nehmen.
Im Nachhinein sagten uns mehrere erfahrene Züchter, dass diese Entscheidung vielleicht zu vorschnell war. Eine Hündin mit einer Schwester, die an Addison erkrankt ist, muss nicht zwangsläufig aus der Zucht genommen werden – besonders dann nicht, wenn sie selbst kerngesund ist. Wäre es ein Rüde gewesen, wäre die Entscheidung nachvollziehbarer gewesen, da Rüden ihre Gene schneller und weiter verbreiten können. Zum Glück haben wir mit dem Vater Cosmo eine weitere Linie, auf der wir weiter aufbauen können.
Eine Entscheidung mit gutem Gefühl
In den letzten Wochen hatte ich Kontakt zu Forschern und Labors in Europa und den USA. Es war eine sehr lehrreiche und augenöffnende Zeit, die mir ein tieferes Verständnis für die Komplexität dieser Krankheit gegeben hat – und gleichzeitig mehr innere Ruhe im Hinblick darauf, was wir als Züchter beeinflussen können und was nicht.
Auf Grundlage dieses Wissens – und aus einem Prinzip der Vorsicht heraus – haben wir entschieden, Evita nicht in die Zucht zu nehmen. Nicht, weil es zwingend notwendig war, sondern weil es sich für uns richtig anfühlte.
Wir sind auch an einem Punkt in unserem Leben, an dem wir unser inneres Gleichgewicht und die Freude an der Arbeit mit unseren Hunden bewahren möchten. Deshalb möchten wir unsere Energie nicht dafür aufwenden, Entscheidungen zu rechtfertigen oder uns gegenüber Menschen zu erklären, die schnell urteilen, ohne das ganze Bild zu kennen. Wir wissen, dass andere Züchter andere Entscheidungen treffen können – und das mit guten Gründen. Doch für uns war dieser Weg der richtige. Und das ist, was im Moment zählt.
Was ist Addison?
Addison, oder Hypoadrenokortizismus, ist eine hormonelle Erkrankung, bei der die Nebennieren des Hundes aufhören, die lebenswichtigen Hormone Kortisol und Aldosteron zu produzieren. Kortisol ist das „Stresshormon“ des Körpers und hilft dabei, Energie, Immunsystem und viele andere Funktionen zu regulieren. Aldosteron kontrolliert den Salzhaushalt und den Blutdruck.
Fehlen diese Hormone, gerät der Körper aus dem Gleichgewicht – mit teils unspezifischen Symptomen:
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Müdigkeit
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Erbrechen und Durchfall
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Appetitlosigkeit
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Gewichtsverlust
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Muskelschwäche
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Zittern
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Niedriger Blutdruck
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Kollaps in schweren Fällen (Addison-Krise)
Die Diagnose kann schwierig sein, aber Bluttests – insbesondere der sogenannte ACTH-Stimulationstest – können Klarheit bringen. Glücklicherweise ist Addison behandelbar – meist mit täglicher Medikation und lebenslanger Kontrolle.
Eine komplexe genetische Erkrankung
Die genetischen Ursachen von Addison sind noch nicht vollständig erforscht. Bei manchen Hunden mit Addison wurden genetische Marker gefunden, die mit einem erhöhten Risiko in Verbindung stehen – viele betroffene Hunde haben diese Marker jedoch nicht. Umgekehrt gibt es Hunde mit dem Marker, die niemals erkranken.
Addison ist also keine monogene Erkrankung, sondern ein komplexes Zusammenspiel von Veranlagung und Umweltfaktoren. Deshalb kann ein DNA-Test keine Garantie geben – weder im positiven noch im negativen Sinne.
Besteht ein Zusammenhang zwischen Kastration und Addison?
Eine Beobachtung, die sich in vielen Fällen wiederholt, ist, dass viele an Addison erkrankte Hunde kastriert sind – oft schon sehr früh im Leben.
Es ist wichtig zu betonen, dass Kastration allein Addison nicht verursacht, aber es wird vermutet, dass sie bei genetisch vorbelasteten Hunden ein auslösender oder begünstigender Faktor sein kann. Mit der Kastration werden die natürlichen Geschlechtshormone entfernt, die auch das Immunsystem und die Stressregulation beeinflussen – genau die Bereiche, die bei Addison betroffen sind.
Frühkastrationen, also vor Eintritt der Geschlechtsreife, können das hormonelle Gleichgewicht und die körperliche Entwicklung des Hundes beeinflussen. Einige Studien deuten darauf hin, dass dadurch das Risiko für Autoimmunerkrankungen steigen kann.
Das bedeutet nicht, dass man grundsätzlich nicht kastrieren sollte – aber man sollte als Züchter und Hundehalter die Entscheidung individuell, mit Blick auf Gesundheit, Timing und genetischen Hintergrund treffen. Und im Idealfall nur dann, wenn eine medizinische Notwendigkeit vorliegt.
Risikofaktoren und auslösende Ereignisse
Neben der Kastration können auch andere Faktoren die Krankheit bei vorbelasteten Hunden zum Ausbruch bringen:
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Stress – z. B. Umzug, Krankheit, Abgabe oder traumatische Erfahrungen
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Operationen – inklusive Kastration
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Schwere Infektionen oder langwierige Krankheiten
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Medikamentöse Belastung oder Schockreaktionen
Im Fall von Alba lässt sich nicht sagen, was genau die Krankheit ausgelöst hat – aber die Kombination aus sensibler Psyche, früher Kastration und schwierigen Erfahrungen kann eine Rolle gespielt haben.
Was sollten wir als Züchter beachten?
Wir können niemals garantieren, dass ein Hund gesund bleibt – aber wir können viel tun, um Risiken zu minimieren und die Rasse zu stärken:
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So geringe Inzucht wie möglich – nicht nur in einer Generation, sondern über mehrere hinweg
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Keine Wiederholungen von Verpaarungen mit erkrankten Nachkommen
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Eltern aus verschiedenen, gesunden Linien wählen
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Keine Zucht mit Rüden, deren Geschwister schwerwiegende Erbkrankheiten haben – bei Hündinnen besonders gut abwägen
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Gesundheit und Wesen über Mode und Fellfarbe stellen
Warum Rüden schneller aus der Zucht genommen werden
Ein Rüde kann innerhalb kurzer Zeit Vater von 50–100 Welpen werden – oder noch mehr, wenn er beliebt ist. Damit verbreitet er seine Gene sehr schnell und weit. Deshalb ist es sinnvoll, bei Rüden besonders vorsichtig zu sein, wenn bei Geschwistern Krankheiten auftreten. Eine Hündin bekommt meist nur 1–3 Würfe und verbreitet ihre Gene deutlich weniger.
Wie viele Hunde sind betroffen?
Das lässt sich schwer sagen. Es werden jedes Jahr tausende Pudel geboren – und Addison ist immer noch eine seltene Erkrankung. Ich selbst habe seit über 40 Jahren Pudel – von klein auf – und habe nur von wenigen Fällen gehört. Aber schon ein einziger Fall in einem Wurf genügt, um uns zum Nachdenken und verantwortungsbewussten Handeln zu bewegen.
Mehrfarbige Pudel und Zuchtlinien
Es wird oft behauptet, dass mehrfarbige Pudel anfälliger für bestimmte Krankheiten seien – auch für Addison. Wichtig ist: Nicht die Farbe ist das Problem, sondern die Zuchtbasis.
Viele mehrfarbige Linien – besonders neuere in Europa – stammen von wenigen stark eingesetzten Zuchthunden ab. Um die gewünschten Abzeichen zu festigen, wurde teilweise sehr eng gezüchtet. Das kann zu einer Anhäufung unerwünschter Gene führen – darunter auch solche, die Krankheiten wie Addison begünstigen.
Wir müssen uns bewusst machen: Wenn wir für bestimmte Merkmale selektieren – Fellfarbe, Zeichnung, Größe – verzichten wir oft gleichzeitig auf genetische Vielfalt. Wenn Gesundheit nicht an erster Stelle steht, zahlt man irgendwann den Preis.
Zum Schluss – über Offenheit und Verantwortung
Eines der wichtigsten Dinge, die wir als Züchter tun können, ist der offene Austausch mit unseren Welpenkäufern. Ehrlichkeit und Rückmeldung helfen uns, zu lernen, uns weiterzuentwickeln und verantwortungsvoll zu handeln.
Danke an Albas Familie für das Vertrauen und die Offenheit – ohne euch hätten wir nichts über diesen Fall gelernt. Und danke an alle, die lesen, teilen und ihre Erfahrungen einbringen. Gemeinsam können wir einen Unterschied machen – für gesunde, glückliche Pudel, heute und in Zukunft.